..oder: Realitätsverlust kann zum lachen reizen – jedenfalls den Außenstehenden
Mir ist klar, dass viele Besucher nach lesen dieses Blogs der Meinung sein werden, dass ich ein ewiger Nörgler, Quengler, Pessimist – kurzum ein echter Kotzbrocken bin – sei’s drum, muss ich mit leben. Dass man uns Deutschen nachsagt, wir wären Pessimisten, würden alles schwarz sehen, und man könnte es uns nie recht machen, hört man ja öfters.
Ja, ich find’s aber nun mal äußerst traurig, wenn man einen sogenannten “Fach-Verkäufer” (dies bedeutet, er ist vom Fach, weiß also, was er tut, und welche Waren er anbietet) fragt, weshalb die sicher schon mehrere Tage liegenden vollroten, weichen, angematschten Tomaten (für die man unglaubliche 4,99 € fürs Kilo haben will), mit Handelsklasse I ausgezeichnet sind, obwohl die nur noch Klasse II oder sogar Ketchup-Qualität haben, und der nur die Schultern zuckt, weil er nicht weiß, was er sagen soll..
So sieht heutzutage also ein qualifizierter Fach-Verkäufer aus? Nicht mal Trödelmarkt-Verkäufer-Qualität sehe ich da! Und dieses Ausbildungs-Niveau zieht sich in Deutschland durch den ganzen Dienstleistungssektor.
Am Kassen Checkout kommt dann das nächste Beispiel für Dienstleistung in Perfektion. Die liebe Kassiererin fragt nämlich nach dem Einkauf scheinheilig: “Haben Sie alles bekommen?” Nun, am besten sagst Du nun ‘Ja’, denn wenn Du ‘Nein’ sagst – ihr vielleicht sogar aufzählst, was du nicht bekommen hast – Du könntest es auch genauso gut in einem seltenen tibetanischem Dialekt sagen, denn nachdem Du es gesagt hast, macht die liebe Dame ein teilnahmsloses Gesicht – und widmet sich sofort dem nächsten Kunden.
Da kommt man sich nun doch ziemlich veralbert vor, denn man würde erwarten, dass sich die liebe Dame wenigstens eine Notiz macht, oder mal kurz einen Anruf tätigt, dass zum Beispiel im Nährmittelgang kein Zucker mehr ist. Klar könnte man als positiv denkender Mensch glauben, dass sich die junge Dame bis zum Ende Ihrer Schicht alle 150 nicht vorrätigen Produkte merken kann..
Aber da muss man schon wirklich sehr, sehr sehr positiv denken!
Ein Freund von mir kann ein wahres Trauerspiel in mehreren Akten von “qualifiziertem und motiviertem” Personal schreiben. Nennen Wir Sie: “Opera tragico del Maestro stupido”
1. Akt – Akteure: Ein Maler- Meister Betrieb, diverse Maler. Handlung: Maler, die eine Hauswand streichen sollen, aber nichts abkleben, weshalb sündhaft teure Fensterrahmen, bei einem unter Denkmalschutz stehendem Haus von klecksender Farbe versaut werden – Die Protagonisten singen im Chor: „von abkleben hat man uns nichts gesagt”. Dieses Lied würde ich ja grad noch bei einem Auszubildendem im 1. Lehrjahr durchgehen lassen, aber nicht bei einem Malermeister.
2. Akt – Akteure: Eine KFZ-Fachwerkstatt, diverse Mechaniker, ein KFZ-Meister. Handlung: Die Getriebereparatur bei einem Oldtimer, bei dem die Befestigungsbolzen unterschiedlich lang sind, aber beim Ausbau nicht nummeriert worden sind – und beim Einbau hätte der Mechaniker durch simples messen mit einem Draht oder dünnem Schraubenzieher die Lochlänge bestimmen können, und dadurch die richtigen Schrauben in die richtigen Gewindegänge schrauben können. Aber so wurden die Schrauben einfach wie sie kamen in die Löcher gedreht – mit dem Ergebnis, dass die einen zu kurz sind, und kaum fassen – was das herausbrechen quasi provoziert, und die zu langen Schrauben in viel zu kurze Gewindegänge gedreht wurden, dann überstanden, was einer Befestigung nicht dienlich ist (und weil man nicht bemerkt hat, dass Sie zu lang sind, mit soviel Kraft, dass das Aluminiumgehäuse des Getriebes gerissen ist – was eine Reparatur von einigen Tausend Euro nach sich zieht). Der Meister singt die berühmte Arie: „Diese schlampige Arbeit ist niemals in meiner Werkstatt gemacht wodern!“
3. Akt – Akteure: eine andere KFZ-Werkstatt, ein KFZ-Meister, diverse Mechaniker. Handlung: der simple Ölwechsel an einem Auto gerät zum Desaster, weil dem verantwortlichem Monteur die Ölablassschraube beim ablassen ins Ölauffangbecken fiel, und statt der Originalschraube in Zolll (da es sich um ein englisches Auto handelt) mit der abdichtenden Metallunterlegscheibe eine andere Metrische mit Gummidichtung genommen wurde. Weil Gummi aber bei Hitze nachgibt, tropfte immer Öl auf die Straße. Beim reklamieren wurde in der Werkstatt immer nur die Schraube nachgezogen, aber nicht die Ursache (falsche Schraube inklusive der falsche Dichtring) beseitigt. Beim letzten Mal wurde dann die komplette Schraube abgerissen und musste aus der Ölwanne ausgebohrt werden. Dabei stellte man dann auch fest, dass sowohl die falsche Schraube, wie auch ein falscher Dichtring montiert war, und es gar nicht dicht sein konnte. Der Werkstatt-Meister singt die gleiche Arie wie im 2. Akt – nur in anderer Tonlage
Oh.. ich könnte noch stundenlang weitere Geschichten von geradezu unterirdisch schlechten Arbeitsleistungen von mir geben – aber dann würde dies ein Buch, und kein Blog-Beitrag. Grotesk und tragisch wird dies aber dadurch, dass alle Malermeister, KFZ-Meister und Werkstatt-Meister der Meinung waren exzellente Arbeit abzuliefern, und dafür astronomische Stundenlöhne verlangten.
Aber wenn schon ein normal handwerklich begabter Kunde mehr Fachwissen, technisches Verständnis und logisches Denken mitbringt als ein sogenannter Handwerker oder Meister, der dies aufgrund seiner Berufsausbildung im Schlaf können müsste, dann kann doch was mit der Qualifikation nicht stimmen, oder?

(Uppers and Downers – und der Tag ist dein Freund. Schön, wenn die rosarote Brille am Kopf fest gewachsen ist, und die kleinen Pillen den Rest tun…)
Solche Katastrophen sollten einem aber nicht den Tag verleiden, oder – ein absolutes No-Go, solltest Du diese Katastrophen-Erlebnisse mit nach Hause nehmen – denn dann kann Frau Partnerin auf solche Dinge schon mal sehr allergisch reagieren.
Schließlich will Frauchen zu Hause schöne heile Welt haben, weshalb meinem Kumpel nach all dem Ärger mit den Handwerkern auch noch die Frau weglief.
Okay, sein Problem war, dass er Abends über die Probleme reden wollte, macht man ja auch nicht, so was..
Tja, schon Scheisse, wenn die rosarote Brille und die sedierenden Tranquilizer im Büro vergessen worden sind, gelle?
Was das mit der Überschrift zu tun hat?
Ganz einfach – ich wünschte mir auch glauben zu können, mit Halbwissen völlig ausreichend gerüstet zu ein, um mich (bildlich gesprochen – mit einer rosaroten Brille auf der Nase, in ein gleichfarbiges Tutu gewandet und im Spitzentanz), durchs Leben tänzeln zu können – und manchmal auch so unterbelichtet wie viele Zeitgenossen durchs Leben gehen zu können – Blauäugig alles zu glauben – nichts zu hinterfragen, nur auf Zuruf zu arbeiten und nicht weiter zu denken, wie von meiner Tastatur bis zum Monitor.
Was wäre das Leben schön – ich müsste nicht im Beruf mitdenken, oder im privaten Bereich dem Zwang nachgeben anderen gute Ratschläge zu geben, damit die nicht auf die Schnauze fallen, sich über den Tisch ziehen, oder im schlimmsten Fall sogar ins Bett ziehen lassen, weil ich dies alles schon erlebt habe, und ich den naiven Nullschnallern die unschönen Erlebnisse ersparen möchte – deshalb eindringlich warne – wofür ich nur den Vorwurf zu hören bekomme ein Kontroll-Freak zu sein, und anderen meinen Willen aufzwängen zu wollen.
Nun, keine Angst – ich mache dies seit geraumer Zeit nicht mehr, denn dies war letztes Jahr zum Jahreswechsel der gute Vorsatz. Ich hör mir die ganzen Probleme auch nicht mehr an, sondern winke dann gleich ab! Jetzt soll jeder mit Vollgas in sein Unglück laufen – egal ob dann später Rotz und Wasser geheult wird – ganz normales Lebensrisiko!
Wie ist seit letztem Jahr mein neuer Lieblingsspruch? Du kannst nicht Jede(n) retten!
Doch kommen wir zurück zur Überschrift: Vorgestern bei den Nachrichten auf einem privaten Sender:
Hätte ich meinen Kopf nur zum Haare schneiden, ich hätte die Flasche Schampus, die ich hier für Neujahr, und mein auf der Silvester-Party gefangenes Party-Häschen schon mal im Kühlschrank kalt gestellt habe, vor ausgeschütteten Glückshormonen schon alleine im Freudentaumel geöffnet – denn die Nachrichten waren so toll – nein ich wage den Begriff Phänomenal zu verwenden, wie seit etlichen Jahren nicht mehr! Wer Sie nicht gesehen hat, hier nochmal die Schlagworte im Überblick!
Die anderen EU-Staaten schauen neidisch zu uns auf – Tadaaa..
Wir haben es aus der Wirtschafts-Krise geschafft – Tadaa..
Im Jahr 2011 rechnet die Wirtschaft mit 2,9% Wirtschaftswachstum – Tadaaa..
Dieses schafft Arbeitsplätze, und deshalb sind wir einen großen Schritt in Richtung Vollbeschäftigung gegangen – Tadaaa..
Nach Ende der Nachrichten schaute ich entgeistert auf meinen Beistelltisch neben meinem Fernseh-Sessel: Hatte ich schon zu viel getrunken? Hatte mir ein Alkohol-Tinnitus einen Streich gespielt? War ich vielleicht gar schon im Delirium Tremens?
Nun, ich beruhigte mich wieder, als ich das Sender-Logo eines Privaten sah.. Na klar – Prekariats-Fernsehen – bei denen weiß man ja, dass die Nachrichten aus ungeklärten und dubiosen Quellen kommen, weshalb solche Nachrichten für mich genauso bedeutsam sind, wie die neueste “Nicht”-Lippen-Aufspritzung von Chiara Ophoven.
Doch leider wurde diese Meldung einen Tag später auf einem öffentlich-rechtlichem Sender quasi in gleichem Wortlaut wiederholt!!

(früher ein Quell für gut recherchierte Nachrichten – heute ein abkupfern von Nachrichten der Privaten ohne weiteres hinterfragen..)
Alter Schwede! 2,9% Wachstum und Vollbeschäftigung in einem Satz? Ich fühlte mich unversehens an Walter Steinmeiers Wahlversprechen erinnert, als er quasi 4 Millionen Arbeitsplätze aus dem Nicht erschaffen wollte.
Klar – Vollbeschäftigung ist spielend einfach zu realisieren. Nehmen wir mal die mittlerweile 7 Millionen Aufstocker (bei einer Kopulation von 80 Millionen Bundesbürgern und geschätzten 50% davon, die einem Sozialversicherungspflichtigem Erwerb nachgehen, ist das eine Quote von 17,5%, die bereits durch ihren Lohn den Lebensunterhalt nicht mehr sichern können). Das ist schon mal ein guter Anfang für soziale Gerechtigkeit.
So, jetzt schmeißen die deutschen Großunternehmen ihre nach Ihrem Glauben völlig überbezahlten Facharbeiter raus – sagen wir mal, so knapp 10 Millionen Leute – und stellen dafür die doppelte Anzahl an ALG 1 -und 2 -Empfängern ein. Das ist von den Lohnkosten immer noch billiger!
Na, und schon haben wir Vollbeschäftigung, wie in der besten Wirtschaftswunder-Zeit! Das schöne ist dann, dass dann ungefähr 2/3 der arbeitenden Bevölkerung so wenig verdient, dass man kaum davon leben kann. Na, wenn das nicht die Bürger zusammenschweißt, und ein neues WIR-Gefühl fördert, was dann?
Wie? Du sagst, man kann davon nicht leben, und weil durch die niedrigen Löhne keine Steuereinnahmen mehr reinkommen, wird die Staatsverschuldung noch höher, weshalb als logische Konsequenz die Sozialleistungen noch mehr eingedampft werden?
Na klar! Aber davon war ja auch in den Nachrichten nicht die Rede…
Und nachdem ich die Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin gesehen habe, habe ich etwas Angst, wenn ich in die Zukunft blicke – und dies nicht nur wegen der schlaftablettengleichen Märchenerzähler-Rhetorik von Bundes-Angie..
Die Kunst ist, bei solchen Absichtserklärungen zwischen den Zeilen zu lesen – und genau das, unterscheidet mich, lieber Leser, von den anderen….
letzte Änderung: 01.01.2011 16:19 Uhr