Bananenrepublik Deutschland

  • Sonntagsgedanken: Mal wieder Herzhaft lachen? Von wegen – wir sind schließlich Deutsche!..

    ..oder: wenn wir was können – dann ist das: “Selbstkasteiung”..

    “Willst Du einen Menschen einen Tag satt machen, dann gib Ihm einen Fisch. Willst Du Ihn ein Leben lang satt machen, dann zeig ihm wie man angelt.” (LAOTSE)

    Dieser Sinnspruch hat so viel wahres und er könnte auf Deutschland übertragen folgendermaßen zeitgemäßer übersetzt werden: “Wenn Du  einen dummen Mitarbeiter hast, dann gib ihm einfache Aufgaben. Wenn Du einen dummen UND GELTUNGSSÜCHTIGEN Mitarbeiter hast, dann mach Ihn zu einem Beauftragten”. Ja, diesen Satz solltest Du erst mal sacken lassen.

    Albrecht Dürer - der Büßer-small(Bild links: Typisch Deutsch. Wenn wir irgendwas können, dann ist es uns in der Büßerrolle wohlfühlen. Wenn es uns zu gut geht, dann darf das nicht sein. Das geht sogar so weit, dass wir uns das lachen aberziehen – leider eines der wenigen Dinge, die man in Corona-Zeiten noch gefahrlos kann konnte. Bildquelle Wikipedia: Albrecht Dürer – Der Büßer)

    Warum ich das schreibe? Weil ich das Gefühl habe, dass Menschen nicht sehr gut mit Epidemien, Pandemien und Privatfernsehen umgehen können. Man neigt im Haus der Homo Sapiens geschwind zum überreagieren. Der Deutsche treibt es auch hier auf die Spitze: Nach dem Tod von George Floyd in den USA gab es dort riesige Unruhen – dort zu Recht, denn es ist ein riesiger Unterschied ob man in den Vereinigten Staaten als Farbiger von der Polizei angehalten wird, oder in Deutschland.

    In Gods own Country gehört es zum normalen Verfahren der Cops bei Fahrzeugkontrollen von Verdächtigen die Hand an der Waffe zu haben – und ein Farbiger ist IMMER verdächtig. Dazu sitzt der Abzugfinger locker. Eine falsche Bewegung und der “Schwatte” (wie man im Kohlenpott liebevoll übermäßig stark pigmentierte Menschen nennt) beendet seine Fahrt nicht in seinem eigenen Auto, sondern bevorzugt von hinten durchlöchert, im Wagen des CORONERS, wie die Leichenwagen dort heißen. Eine Verurteilung der schießwütigen Polizisten?  Heikles Thema.. ganz heikles Thema…

    Und weil es so schön war, hat sich Deutschland des Rassismus-Problems ebenfalls angenommen – was Amerika kann, das kann Deutschland schon lange und of course a little bit better, also wurde in Deutschland nicht nur eine Rassismus-Diskussion geführt, sondern eigentlich ALLES, was irgendjemanden, irgendwie, möglicherweise, vielleicht aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen, Berufs, Hautfarbe, Frisur, seines erhöhten BMIs, IQs oder Zahnstellung beleidigen könnte, gehört verteufelt – aber so was von! Wann verbietet eigentlich jemand Jürgen von der Lippe sein Hawaii-Hemd – das fällt ja wohl voll unter Cultural Appropriation!

    Bevorzugt machen dass dann Menschen, die selber keine Ahnung haben, weil Sie gar nicht zu der betroffenen Randgruppe gehören. Genau, Du hast es erfasst: das sind diese tollen „Experten“, die sich in Talk-Shows im Schein der Kameras ins rechte Licht rücken, wenn Sie Rassismus verteufeln. Im Ernst – was hat denn ein hellhäutiger Mittdreißiger mit sicherem Job bei einem Weltkonzern, für Erfahrungen mit Sexismus oder Mobbing oder noch besser Rassismus? Genau: KEINE! Und deshalb werden die Ziele im Kampf um vorhin genannte Diskriminierungen, von Ihm viel höher gesteckt, als es eigentlich nötig wäre – oder gehen gleich völlig in die falsche Richtung…

    Und da der, es allen Wohl und keinem Wehe, machend wollende Bürger dieses Landes an den Lippen dieser Dummschwätzer klebt, wie die Querdenker an den Lippen von Dr. Schiffmann (Hey! Der Mann ist ein Doktor – der muss schließlich wissen, was stimmt!), setzen die des gesunden Menschenverstandes beraubten Menschen völlig absurde Gedankengänge frei. Das führt zum Teil zu grotesken Vorfällen:

    • Ein junges hellhäutiges Mädchen auf TikToK strich sich in einem Video jeweils mit 2 Fingern der Hände dunkle Theaterschminke ins Gesicht. Sie wollte damit symbolisieren, dass wir alle eigentlich von den Ureinwohnern in Schwarz-Afrika abstammen.

    Hätte Sie mal besser gelassen. Sie erntete einen Riesen Shit-Storm, denn was Sie da trieb wäre “Blackfacing” (Spoiler: ich unbedarfter Trottel wusste nicht mal, dass es dieses Wort überhaupt gibt) – na und das geht ja mal gar nicht, denn damit würde man sich die Kultur der Farbigen aneignen – sogenanntes “Cultural Appropriation” (ja, da sind wir wieder bei Jürgens Hawaii-Hemd). Und wenn Du meinst, das ist ja völlig absurd – ja, stimmt!


    HIER FOLGT EINE WERBEANZEIGE


    Das erzähl dann mal vorwurfsvoll am Sankt Martins Tag den Müttern, wenn deren kleine Popelfresser sich für den ‘Heilige Drei Könige’-Umzug verkleiden und schminken, dass der kleine Timmy sich gefälligst nicht als Mohr Melchior die Theaterschminke ins Gesicht schmieren darf. Dann singst Du auch – aber im Sopran.. Und das mit Recht!

    • Ähnliches passierte einem anderen Mädchen, welches sich Dreadlocks machen ließ. Auch hier wurde Sie auf der Social Media Plattform ihres Vertrauens fürchterlich angegangen, weil diese Frisuren für eine weiße Deutsche nicht statthaft ist, da es sich um Kulturgut aus Afrika und deren Bewohnern handelt.

    Ja nee.. iss klar.. Dreadlocks sind verboten – und was noch? Couscous essen vielleicht? Oder das tragen von falschen Rolex-Uhren die man an afrikanischen Stränden von Straßenhändlern zu Hauf angeboten bekommt? Darf ich jetzt nicht mehr in den Dönerladen gehen, weil ich mir da unverschämterweise die Kultur der – auch nicht besonders hellhäutigen – Türken verbotenerweise aneigne? Muss ich jetzt mein restliches Leben nur noch Sauerbraten mit Knödeln futtern damit mein BMI in den dreistelligen Bereich wandert?

    Und so geht es munter weiter:

    • Bodyshaming (Du ziehst jemanden wegen seines Gewichts oder Sommersprossen auf – dann pass auf, dass es kein Zeuge hört)
    • Mobbing (dein Azubi ist dumm wie eine Schüppe Mist und hat selbst, nach dem Du es zum 100. Mal erklärt hast, immer noch nicht kapiert wie man Outlook startet? Du willst Ihm das auch genauso sagen? Behalt’s für dich)
    • Sexismus (du sagst der Kollegin aus der Buchhaltung dass sie tolle ..PIEP.. hat und ihr ..PIEP..in einem Rock einfach hinreißend aussieht. Was glaubst Du? Wie lange bist Du noch bei der Firma? Morgen nicht mehr mitgerechnet!)
    • und, und, und… (man muss mehr darüber nachdenken, wie man die Fallstricke umschifft um sich nicht beim quasseln um Kopf und Kragen, bzw. Job und Einkommen zu bringen, oder sich irgendeine Anzeige oder Abmahnung einzufangen.)

    Und beim Sprechen ist ja noch lange nicht Schluss – jetzt wird auch noch das Lachen tabuisiert.

    Nach den ganzen Diskussionen um die ach so gebeutelten Minderheiten leisteten auch einige Deutsche Comedians Abbitte und sagten, dass Sie sich für diverse Seitenhiebe, die Sie während ihrer Bühnenshows gesagt hätten nun entschuldigen würden. Ja, da kommen harte Zeiten auf Deutschlands Standup Comedians zu, wenn Witze über Randgruppen – oder generell Witze über andere Menschen – nicht mehr erzählt werden dürfen. Gut, dass Fips Asmussen das nicht mehr erlebt hat – er wäre arbeitslos..

    Mal schauen ob Du’s kapiert hast? Testen wir doch mal: “stellt sich ein Dicker auf die Waage – zeigt die Waage an: “nur eine Person bitte..”” – darfst Du lachen? Natürlich nicht! Das ist Bodyshaming und absolut Tabu! Kapiert? Neee? Gut.. noch einer: “sagt die eine Blondine zur anderen: “ich krieg von neuen Schuhen immer blasen” – sagt die andere: “Bei mir ist’s genau umgekehrt..” Ist Lachen erlaubt? Du glaubst Ja? BÖÖÖP.. Falsch – ist nämlich Sexismus.


    HIER FOLGT EINE WERBEANZEIGE


    Hmm, und das waren die einfachen Beispiele. Pass auf, jetzt kommt eine schwere Frage für Dich: Dürfte man denn sagen: “sagt die eine Frau zur anderen..?”.. Nein, du Doofmann! Natürlich auch nicht, denn hier werden Frauen generell als Dumm und sexuell devot dargestellt und das ist Mobbing UND Sexismus. Du erkennst langsam das Dilemma?

    Werbung lach nicht(Bild rechts: Bei 99% der Leser würde wohl zumindest bei dieser Werbung ein lächeln übers Gesicht huschen. aber nicht, wenn es einen deutschen Tugendwächter gibt. Dann ist diese Werbung vom Teufel direkt entworfen worden. Glaubste nich’? Ich schwör.. iss so! Foto: TWITTER)

    Beauftragter(Bild links: Und das ist der Text dazu, den ein “Beauftragter” bei Twitter dazu schreibt. Gell, jetzt lachst nimmer, Saupreiß damischer)

    Aber funktioniert Humor so? Dass wir erst überlegen müssen, ob wir lachen dürfen oder nicht? Wie oft ist es Dir passiert, dass Du jemanden gesehen hast, der bei Glatteis ausgerutscht ist und sich dann gekonnt auf den Hosenboden gesetzt hat und Du im ersten Moment erst mal losgeprustet hast vor lachen.

    Ja, im selben Moment schoss es Dir auch durch den Kopf: “Mann, darüber lacht man nicht” und Du hast der Person auch sicher aufgeholfen – aber der Lacher ist raus. Und das ist im Gehirn auch mit Absicht so verdrahtet – Lachen geschieht vor dem Denken. Und das ist ein Problem für manche Menschen – hauptsächlich für die, die zum lachen in den Keller gehen…

    Aber was sagt denn Wikipedia dazu? Fragen wir doch mal:

    Das Lachen ist gewöhnlich ein unwillkürlicher Akt, bei dem ein durch die Empfindungsnerven dem Gehirn überlieferter Reiz dadurch ausgeglichen wird, dass er auf die Nervenursprünge der beim Lachen in Kontraktion versetzten Muskeln übertragen wird. Demnach ist das Lachen eine sogenannte Reflexbewegung und hat damit – wie auch andere Reflexbewegungen – die Eigentümlichkeit, dass sie am vollkommensten stattfindet, wenn unsere Aufmerksamkeit von unserem Körper abgewendet ist. Das Lachen kann aber durch Selbstbeherrschung bis zu einem gewissen Grad zurückgehalten werden.

    Tja, damit ist es wohl kaum möglich politisch korrektes lachen anzuerziehen. Und das ist auch gut so. Und in Richtung der ganzen Selbstgeißler, Aushilfsweltverbesserer, Oberlehrer und “überall seinen Senf zu – Geber”: Kümmert euch doch einfach mal um eure eigenen Angelegenheiten und hört auf anderen Menschen euer eigenes verklemmtes Denken und verdrehtes Weltbild aufzwingen zu wollen.

    Ich werde jedenfalls weiter so quasseln wie mir der Schnabel gewachsen ist und lachen ohne darüber nachzudenken ob es politisch korrekt ist oder irgend Jemandes Empfindungen verletzt. Ja, nennt mich ruhig einen unbelehrbaren Neandertaler – Ja, das bin ich! Und da bin ich sogar ein bisschen stolz drauf..

    So ich fahr jetzt in die Döner-Bude – wer kommt mit?

  • Ein kritischer Bericht aus der Süddeutschen – Warum das Freihandelsabkommen gestoppt werden muss..

    ..oder: was passiert, wenn wegen korrupter Politiker der Rechtsstaat sein Recht verkauft.

    Heute Morgen stieß ich bei g+ auf einen interessanten Bericht. Er zeigt sehr ausführlich was für Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit der Beitritt zum Internationalen Freihandelsabkommen mit sich bringt. Besser könnten die Gefahren die durch den Moloch EU Regierung und die nur auf Kommerz ausgerichteten Multinationalen Konzerne verursacht werden nicht beschrieben werden.

    Im folgenden ist deshalb der komplette Bericht ungekürzt aus der Süddeutschen vom 3.Mai 2014 auf 3 Seiten zu lesen:

    3. Mai 2014 19:22

    Transatlantisches Freihandelsabkommen TTIP

    Sieg über das Gesetz

    Was hat das Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa mit der Amputation der Ukraine zu tun? Der im Abkommen geregelte Investitionsschutz bedeutet Politik nach Wunsch der Wirtschaft, er entstellt das Recht und hebelt die Demokratie aus.

    Von Andreas Zielcke

    Russlands Eingriff in die Ukraine. Die Entmachtung der Demokratie im beabsichtigten Investitionsschutzabkommen zwischen den USA und der EU. Die Überwachung durch die NSA. Guantanamo und Folter. Weltbank, IWF und die Bevormundung verschuldeter Staaten. Wer könnte diese Reihe verletzter Souveränität nicht beliebig fortsetzen? Nicht dass das Staatsrecht noch seine Unschuld verlieren könnte. Aber dass es im Augenblick eine Krise durchmacht, ist offensichtlich.

    Auf den ersten Blick scheint der Investitionsschutz oder die Arbeitsweise der Weltbank wenig zu tun zu haben mit der großflächigen NSA-Spionage oder gar mit der Amputation der Ukraine. Das klingt eher nach Verschwörungstheorie. Doch näheres Hinsehen zeigt, dass das Recht zumindest in seiner transnationalen Dimension einem tiefgreifenden Wandel unterliegt, der solche völlig unterschiedlichen Auswüchse tatsächlich miteinander verbindet – ein Wandel, der das Recht modernisiert und zugleich entstellt.

    Vattenfall will Entschädigung wegen des Atomausstiegs. Wie bitte?

    Evident ist dies bei den bilateralen und multilateralen Verträgen zum Investitionsschutz, von denen weltweit bereits mehr als 3000 existieren. Allein die Bundesrepublik hat rund 130 geschlossen. Die Abkommen, ob mit Südafrika, Kasachstan, China oder Polen, folgen alle demselben Schema: Man garantiert dem ausländischen Investor, dass günstige rechtliche Standards für seine Kapitalanlage beibehalten werden, und spricht ihm einen Schadensersatz zu, falls die Garantie verletzt wird. Um den Anspruch durchzusetzen, braucht der Investor nicht vor nationale, ordentliche Gerichten ziehen, sondern darf ein Schiedsgericht anrufen. Dessen Urteile sind unanfechtbar und direkt vollstreckbar.

    Sollten sich Europa und die USA jetzt, wie in denVerhandlungen über das „Transatlantische Freihandelsabkommen“ beabsichtigt, darauf verständigen, würden sich künftig auch diese beiden Wirtschaftsgiganten gegenseitig einem solchen eisernen Regulierungsmechanismus unterwerfen.

    Tomaten-im-Eierkarton_thumb.jpg

    Investitionsschutz im Freihandelsabkommen TTIP

    Europa vor Gericht

    Wie einst nur Bananenrepubliken: Konzerne verklagen immer häufiger auch reiche Staaten, wenn ihnen deren Politik nicht passt. Auch deutsche Firmen nutzen die Schiedsgerichte gern, die Knackpunkt der Freihandels-Verhandlungen geworden sind. Es geht um Solarstrom, Raumfahrt – und um den Kampf der Krisenländer gegen ihren Untergang (Foto: NERD-O-MANIA).

    Zweifellos sorgen die Schutzabkommen für höhere Investitionssicherheit und schnellere Konfliktlösung, ein unbestreitbarer Vorteil. Aber zu welchem Preis wird er errungen? Mit welcher Rationalität?

    Zweck der Abkommen ist es ja nicht, den Investor vor entschädigungsloser Enteignung zu schützen ; dazu bedürfte es keines Vertrags, das versteht sich in einem Rechtsstaat von selbst. In erster Linie soll er vielmehr geschützt werden vor veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen, die den Wert seiner Anlage mindern. Das aber bedeutet, dass sich der vertragsschließende Staat seiner gesetzgeberischen Freiheit und gesellschaftlichen Verantwortung begibt – vor allem auf den besonders empfindlichen Gebieten des Arbeits-, Verbraucher- und Umweltschutzes. Denn das sind die Politikbereiche, die die Profitabilität von Kapitalanlagen am ehesten tangieren.

    Ein bizarres, aber authentisches Beispiel ist die Investitionsschutzklage, mit der Philip Morris gegen Uruguay vorgeht, weil das Land strengere Raucherschutzgesetze erlassen hat. Der Tabakkonzern verlangt wegen der behaupteten Entwertung seiner Anlagen rund zwei Milliarden Dollar Schadensersatz. Die Summe entspricht etwa einem Siebtel des uruguayischen Staatshaushalts. Aus demselben Grund nimmt Philip Morris auch Australien in Anspruch. Deutschland wird derzeit von dem schwedischen Kernkraftbetreiber Vattenfall wegen des Atomausstiegs auf Schadensersatz von knapp 4 Milliarden Euro verklagt. Das Corporate Europe Observatory berichtet, dass im Jahr 2011 weltweit rund 450 Investmentschutzklagen von solchem Kaliber anhängig waren, womit sich ihre Anzahl seit Mitte der Neunzigerjahre verzehnfacht hätte.

    Staatliche Justiz wird ausgeschaltet

    Die Frivolität einer Klage wie der von Philip Morris, die die Gesundheitspolitik eines Staates zum illegitimen Hindernis einer Rentabilitätsoption herabwürdigt, illustriert, in welcher Zwangsjacke die politische Souveränität des Gesetzgebers steckt. Nicht nur in Deutschland gibt es den Straftatbestand der „Nötigung eines Verfassungsorgans“ – dem Investor aber wird sie ausdrücklich zugestanden.

    Nicht weniger fatal ist, dass die Schutzabkommen die staatliche Justiz zugunsten von Schiedsgerichten ausschalten. Diese Gerichte sind nicht mit Richtern, sondern mit Branchenanwälten besetzt, die von den beiden Streitparteien ausgewählt werden. (In den letzten Jahren hat ein kleiner Zirkel von 15 Anwälten weltweit über die Hälfte aller Streitigkeiten entschieden, bei Schadenssummen von über vier Milliarden sogar mehr als drei Viertel.

    Schiedsgerichte haben zwar eine große Tradition und sind bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten zwischen Unternehmen gang und gäbe. Doch in den Investitionsschutzverfahren ist die Konstellation vor dem Schiedsgericht anders, nämlich so asymmetrisch wie der Grundkonflikt: Hier treffen der Investor und der Staat, in dem das Kapital angelegt ist, aufeinander, also das privatwirtschaftliche Verwertungsinteresse auf das – nicht zufällig meist sehr dringliche – politische Anliegen.

    Es zählen unternehmerische Interessen, nicht öffentliche Anliegen

    Ausgerechnet in dieser schiefen Schlachtordnung verzichten die betroffenen Staaten auf ihre eigene, öffentliche Justiz und überantworten sich privaten Schiedsleuten. Obendrein sind die Staaten bei den „Investor-Staats-Disputen“ stets nur passiv beteiligt, als „Schiedsbeklagte“, nie als Kläger. Das heißt: Sie können nicht ihrerseits den Investor auf diese vereinfachte Weise verklagen, falls der seine Pflichten verletzt. In dem Fall müssen sie sich an die ordentlichen Gerichte halten, deren komplizierten Entscheidungsgang sie dem klagenden Investor ersparen.

    Da die Schiedsgerichte hinter verschlossenen Türen tagen, ihr Urteil unanfechtbar ist und in aller Regel noch nicht einmal veröffentlicht wird, fehlen sämtliche Faktoren, die die rechtsstaatliche Qualität von Justiz sichern: Transparenz, Überprüfbarkeit, Unabhängigkeit, Verantwortlichkeit. Der Verlust an rechtsstaatlichen Prinzipien ist umso prekärer, als der Staat in diesem geschlossenen „Geheim“-Prozess nichts weniger als seine demokratisch legitimierte Gesellschafts- und Rechtspolitik verteidigen muss – noch dazu belastet mit dem Risiko milliardenschwerer Haftung. Eine normativ verkehrte Welt.

    Dennoch kommt es nicht von ungefähr, dass hier das öffentliche Anliegen ausschließlich aus dem Blickwinkel unternehmerischer Interessen und Vorgehensweisen beurteilt wird. Weltweit setzen sich Konzepte und Regelwerke durch, die auf einer ähnlichen Denkungsart beruhen.

    Trotz aller gewachsenen historischen und völkerrechtlichen Bindungen und auch trotz aller geteilten ökologischen Risiken bleibt offensichtlich, dass die stärkste Dynamik für die globale Integration der Nationen bislang von der Weltwirtschaft ausgeht. Die Herrschaft der neoliberalen Marktideologie, die trotz Finanzkrise seit drei Jahrzehnten ungebrochen ist, tut ihr Übriges, sodass immer mehr internationale Schaltstellen, Institutionen und Gremien inzwischen dem regulativen Muster des ökonomischen Utilitarismus gehorchen. Ihm gilt die konventionelle Rechts- und Gesetzmäßigkeit wenn nicht als überholt, so doch als ineffizient, unflexibel und der Komplexität heutiger Problemlagen nicht mehr angemessen.

    Also wird das Recht als das idealtypische gesellschaftliche Regulativ einer folgenreichen Transformation ausgesetzt, die gerne mit der Formel erfasst wird: „from government to governance“. Das soll heißen, dass sich die rechtsstaatlich und demokratisch gebundene Regierungsverantwortung wandelt zur pragmatischen Lenkungsform, wie man sie vor allem in der Wirtschaftswelt entwickelt hat. „Governance“ kommt der Technik der Unternehmenssteuerung nahe, sie ist unbelastet von Nationalität und Konvention, sie fragt weniger nach Regel- oder Gesetzestreue als nach Ergebnissen, Output und Machbarkeit.

    Die Methoden der Finanzhilfe, Konditionierung und Kontrolle, die Organisationen wie Weltbank oder IWF gegenüber einzelnen Staaten praktizieren, gehören hierzu. Dasselbe gilt für die Praxis der Entscheidungsfindung anderer weltweit agierender Großinstitutionen, seien sie ebenso wirtschaftsnah (zum Beispiel die WTO) oder seien sie wirtschaftsfern (wie die Weltgesundheitsorganisation).

    Demokratisch beschlossene Regeln geraten ins Hintertreffen

    Und wie leicht zu ersehen ist, gründet sich auch ein Großteil der Initiativen der EU-Kommission auf diesem technokratisch-ergebnisorientierten Steuerungsmuster. Nicht zu vergessen die bahnbrechenden Urteile des Europoäischen Gerichtshofes, mit denen er die Deregulierung des innereuropäischen Marktes gegen die sozialpolitischen Widerstände einzelner Mitgliedsstaaten abgesegnet hat.

    Der weltweite Siegeszug der Denkungsart, die sich zum geringsten mit der Befolgung von – demokratisch beschlossenen – Regeln begnügt, sondern sich primär an Nutzen und Ertrag, an Folgen, Praktikabilität und effizienter Problemlösung ausrichtet, scheint unaufhaltsam. Dieses Denken hat den Elan der Modernisierung auf seiner Seite.

    Einen kompakten Überblick über die innere Metamorphose der wertgebundenen Rechtsanwendung zur mehr oder weniger wertfreien, aber ganz und gar nicht interesselosen „Steuerung“ bietet ein Aufsatz des finnischen Völkerrechtlers und Diplomaten Martti Koskenniemi mit dem Titel „Miserable Comforters“ (European Journal of International Relations, 2009). Anschaulich beschreibt er, wie das fortgeschrittene Denken auch die alte Begriffswelt austauscht: Regeln und Gesetze werden durch „Regulierung“ ersetzt. Statt von Institutionen und Rechtsgarantien spricht man von anpassungsfähigen „Regimes“ („Menschenrechtsregime“, „Handelsregime“, „Sicherheitsregime“). Aus Verantwortlichkeit wird „Compliance“ (hat jemand den Verhaltenskodex gebrochen, heißt es, er war „non-compliant“, als ginge es nur um eine neutrale Verhaltensalternative). Statt von Recht und Gesetz spricht man lieber von „Legitimität“ (viele Euro-Rettungsmaßnahmen widersprechen, so räumt man ein, den EU-Verträgen, aber sie seien „legitim“). Und darum sind den Juristen, die sich als Rechtsanwender verstehen und Sachverhalte in klassischer Art unter die geltenden Gesetze subsumieren, die pragmatisch vorgehenden „Experten der Problemlösung“ vorzuziehen.

    Dass beim Investmentschutz das öffentliche Gerichtsverfahren durch die von den Parteien organisierte Streitschlichtung abgelöst wird, obwohl es in der Regel um herausragende öffentliche Belange geht, liegt auf derselben gedanklichen Linie.

    Angriffe auf die demokratische Souveränität, die sich „legitim“ nennen

    Auf der Linie liegt aber auch, dass man im „Sicherheitsregime“ seit den Anschlägen vom 11. September 2001 bei Al-Qaida-Verdächtigen zu brutaleren Verhörmethoden und Haftbedingungen greift, wenn die bloße Regelbefolgung zu keinen Ergebnissen führt. Die Legitimität ergibt sich aus der Effizienz, nicht aus der Korrektheit. Datenschutzeinwände gegen die NSA-Überwachung werden mit derselben Logik zur Seite gewischt. Das instrumentelle Denken entwindet sich seiner fundamental-rechtlichen Fesseln – sieht sich aber dadurch erst recht im Dienste der Menschheit. Humanitär und legitim ist jetzt, was den Menschen angeblich nützt, nicht was „gerecht“ oder „unantastbar“ ist.

    Aufschlussreich ist der Streit um die Behauptung Russlands, die von ihm betriebene Abspaltung der Krim sei nicht weniger gerechtfertigt als die damalige Loslösung des Kosovo mit Hilfe des Westens und der Nato. Unter völkerrechtlichen Prämissen ist die Gleichsetzung Unfug. Weder waren die Krimrussen von ukrainischen Militärangriffen bedroht wie die Kosovaren von den Serben, noch hat sich ein westliches Land den losgelösten Kosovo angeeignet wie die Russen die Krim.

    Wendet man aber die rein funktionalen Kriterien des neuen Denkens an, dann hat Putin mit strategischem Geschick sein Ordnungskonzept eines „eurasischen Regimes“ vorangebracht. Realpolitischer Egoismus ist diesem Denkmuster alles andere als fremd. In der effektvollen Ausdehnung der russischen Einflusszone auf die Ukraine begegnet der Westen dem rechtsneutralen Governance-Denken in hässlicher Gestalt.

    (Quelle: Süddeutsche Zeitung)

    Ich würde mich freuen, wenn Ihr mal darüber nachdenkt, ob Ihr wollt, dass eine intransparente EU Regierung darüber entscheidet wieviel Rechtsstaatlichkeit einem Rechtsstaat noch bleibt – und ob das Wohl von Multinationalen Konzernen wichtiger ist als das Wohl der Bürger.

     

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"