..oder: der deutsche Leiharbeiter – rechtelos, ausgenutzt, übervorteilt, verarscht…
Pünktlich zum diesjährigen Jahreswechsel und weil es ja zu der besinnlichen Weihnachtszeit so passt – und damit vielleicht auch mal 1 oder 2 Personaler mal etwas über ihre Handlungen nachdenken, während der Geist der Weihnacht versucht etwas Menschlichkeit in die Welt zu zaubern, veröffentliche ich mal wieder ein paar meiner nachdenklich machenden Sonntagsgedanken. Diesmal zum Thema „Zeitarbeit“ – und das ist kein schönes Thema – jedenfalls für den Zeitarbeiter…
Wenn man sich anschaut, wie unsere Arbeiterparteien sich für das Heer der Millionen Menschen in Arbeitnehmerüberlassung stark machen, kommt man sich vor wie ein Gladiator im Zirkus Maximus – mit der gleichen Zukunftsperspektive: nämlich keiner!
Solange man dem Verleiher Geld einbringt, darf man sich seinen Arsch bei anderen Firmen aufreißen – aber wehe die ausleihende Firma benötigt einen nicht mehr: ist kein passendes Projekt vorhanden, wird schon nach wenigen Wochen der Begriff “Auflösungsvertrag” im Schriftverkehr erwähnt – nach weiteren 2-3 Monaten kann man sich schon mal darauf einstellen, zur Unterzeichnung des besagten Vertrags einbestellt zu werden, damit der finanziell so arg gebeutelte Verleiher sich vom Kosten verursachendem Humankapital schnell trennen kann und sich der rausgekegelte Ex-Mitarbeiter ein nettes Plätzchen auf den Wartebänken der Agentur für Arbeit suchen kann.
In den Verleih-Unternehmen sieht die Behandlung eines Leiharbeiters nicht viel anders aus, selbst wenn große Firmen vollmundig davon reden “Equal Pay” (also das versprechen, dass die ausgeliehenen Arbeiter das gleiche Geld verdienen, wie die Festangestellten Kollegen der Entleiher-Firma) bei der Entlohnung der Leihsklaven anzuwenden – doch Fakt ist: „Equal Pay“ ist nichts weiter als eine für den Leiharbeiter schöngefärbte Augenwischerei, damit er erst mal glaubt genauso gerecht bezahlt zu werden wie die Kollegen, die links und rechts neben ihm am Schreibtisch die gleiche Arbeit tun.
Dazu passt folgender Spruch:
Menschenführung ist die Fähigkeit einen Mitarbeiter so schnell über den Tisch zu ziehen, dass er die Reibungshitze als Nestwärme empfindet..
Doch dem ist nicht so, denn bei Großkonzernen gibt es in der Regel ein nicht zu verachtendes Weihnachts-und Urlaubsgeld – bei “meiner” Firma sind dies 1,2 Gehälter für Festangestellte, so dass hier schon mal auf den Monat runter gerechnet fast 400,00 € Brutto in der Lohntüte des mit so vollmundig versprochenem “Equal Pay” entlohnten Leih-Deppen fehlen. Gratifikationen wegen eines guten Betriebsergebnisses (welches ohne den Einsatz der emsigen Leiharbeiter, die in den einzelnen Abteilungen zwischen 50% und 90% der Belegschaft ausmachen, nicht erreicht worden wäre) gehen natürlich auch an den Lohnsklaven vorbei.
Nettes nachfragen bei den Firmen, warum man als Leistungsträger nicht auch von der Sonderzahlung partizipieren kann, führt in der Regel zu Schnappatmung bei allen Ansprechpartnern – vom Betriebsrat bis zur Geschäftsleitung, und das sowohl bei der Verleihfirma, wie auch bei der Entleihfirma in der man zur Gewinnmaximierung eingesetzt ist. Und so bleibt dem Leiharbeiter nur ein trauriges lächeln, wenn die “Kollegen” im Büro lauthals diskutieren, was Sie mit dem Weihnachtsgeld alles anfangen – denn auch der Leiharbeiter bekommt am Ende des Jahres die dicken Rechnungen von seinen Versicherungen und Energieversorgern präsentiert – nur muss er Sie von seinem normalen Gehalt berappen, da fallen die Weihnachtsgeschenke für die Kinder dementsprechend klein aus..
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Egal an wen man sich wendet, mal etwas mehr Geld zu bekommen – es endet immer mit dem gleichen Satz: “Natürlich würde man ja gern zahlen, ABER…” – und während man diesen Satz hört, wird man dabei mit treuen Kulleraugen angeschaut, die selbst die Guckerchen eines süßes Hundewelpen dagegen wie die blutunterlaufenen Glubscher eines mordlüsternen Höllenhundes erscheinen lassen. Und im folgenden kommen dann immer irgendwelche fadenscheinigen Argumente, dass man ja wirklich, also echt jetzt, ehrlich gern auch die Leiharbeiter partizipieren lassen würde, einem ABER die Hände gebunden sind, weil…blablabla – es folgt danach das übliche Personaler-Betriebsrat-Geschäftsführer-Beruhigungs-Geschwafel, wie man es eben so kennt.
“ABER” ist überhaupt das am liebsten gebrauchte Word in Diskussionen und Schriftwechseln – egal, welcher Partei man sein Anliegen vorträgt: Immer ist man natürlich grundsätzlich der gleichen Meinung und versteht das auch vollkoooommen.. – ABER immer ist es natürlich nur die böse andere Partei, die verhindert, dass mal etwas mehr Penunze aufs Gehaltskonto eingezahlt wird.
Hinzu kommt, dass jährlich steigende Gehalts-Einstufungen wie Sie in Abteilungen üblich sind, gerne an den Leiharbeitern vorbei gehen. So dümpelt man nach 4 Jahren immer noch auf dem Einstiegsgehalt der Gruppe herum, während die festangestellten Arbeitnehmern bei gleicher Arbeit bereits 3 Gehaltsgruppen höher eingruppiert sind – was im Monat auch noch mal 400-600 € weniger Verdienst ausmacht.
Zählt man dies alles zusammen, dann fehlen einem Leiharbeiter im Monat so schlappe 800,00 € Brutto im Vergleich zu einem im sicheren Arbeitsverhältnis pappendem Festangestelltem.
Ist jetzt Klar, warum ich jedes Mal beim Begriff “Equal Pay” einen hysterischen Lachanfall bekomme und man sich fragt, warum man sich für eine Firma den Arsch aufreißt, die einem Leiharbeiter quasi nicht einen einzigen Cent finanziell entgegenkommt, aber jedem Festangestelltem das Geld bereitwillig in beide Hosentaschen stopft?
Aus dem gleichen Holz wie “Equal Pay” ist natürlich auch “Equal Treatment” geschnitzt: die Gleichbehandlung des Leiharbeiters im Vergleich zu einem festangestelltem Mitarbeiter. Denn kaum hat man sich am Telefon von einem wutschnaubendem Kunden zusammenfalten müssen für einen Fehler, den einer der so scheinbar hochqualifizierten und in den meisten Fällen überbezahlten aber untermotivierten Festangestellten verbockt hat, ist spätestens, wenn sich die Fahrstuhltür zur Kantine öffnet, das Equal Treatment nur noch ein potemkinsches Dorf – nämlich nichts weiter als eine schöne Fassade hinter der nichts weiter steckt als gähnende Leere.
Während natürlich die festangestellten Arbeitnehmer das Essen in der Kantine zum vergünstigtem Preis bekommen, dürfen die Arbeitnehmer 2. Klasse (ja, hier ist die Rede von Leiharbeitern) einen nicht unerheblichen Aufschlag auf die Getränke und Speisen zahlen. Regelmäßiges Kantinenessen reißt also ein weiteres Loch in die ohnehin an monetärer Schwindsucht leidende Geldbörse. Dass Vergünstigungen für preislich reduzierte Firmentickets des ÖPNV ebenfalls am Leiharbeiter vorbei gehen ist klar, oder? Und schon wieder ist ein dreistelliger Euroschein mehr aus dem Portemonnaie entfleucht, als bei dem glücklich mampfendem Arbeitnehmer mit dem subventioniertem Essenskreislauf.
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Natürlich könnte man jetzt argumentieren, dass die Leiharbeiter ja nur Auftragsspitzen und Krankheitsfälle abdecken sollen und dann nach ein paar Monaten wieder in die Wildnis entlassen werden – weshalb sich der Aufwand, einem Leiharbeiter eine Kantinenkarte für vergünstigte Preise auszuhändigen, nicht rechnet.
Die Realität sieht aber leider ganz anders aus. Die Beschäftigungszeiten der Leiharbeiter werden so lange es gesetzlich irgendwie möglich ist, in 3 oder maximal 6 Monatsabständen verlängert und nochmals verlängert bis es quietscht (eine einigermaßen haltbare Zukunftsplanung zu erstellen ist damit quasi unmöglich – was aber scheinbar niemanden stört – außer natürlich den armen Leiharbeiter-Tropf) – kommt dann noch eine oder wie in meinem Fall mehrere Betriebsübernahmen durch Outsourcing und Betriebsrückgang hinzu, fängt die Uhr bis zu dem ein Übernahmeantrag des Ausleihers fällig ist, erneut jedes Mal zu ticken an – was von dem Entleiher natürlich gerne gesehen wird (schließlich bekommt er fürs Nichtstun gutes Geld); den Leiharbeiter aber irgendwann auf dem Zahnfleisch kriechen lässt, denn eigentlich möchte ja jeder Arbeitnehmer nur eines: eine längerfristige Jobgarantie.
Und dass bei einer Einsatzzeit von mehreren Jahren am Stück niemand, der bei klarem Verstand ist, das Argument “Auftragsspitzen abarbeiten” in den Mund nehmen sollte ist auch klar, oder? Dies ist nichts weiter als eine verschleierte Festanstellung mit täglicher Kündigungsmöglichkeit.
Nach 4 Jahren und mehreren Betriebsübernahmen von anderen Firmen ist nun für mich Schluss – am 30.6.2019 ist das Thema Leiharbeit für mich beendet. Man will nicht mehr verlängern, weil man dann eine Festanstellung anbieten müsste – doch wer gibt schon einem 61jährigem einen unbefristeten Arbeitsvertrag? Der gut gemeinte Vorschlag der Betriebsleitung bis 63 Arbeitslosengeld zu beziehen und dann in Rente zu gehen ist für einen Festangestellten mit zusätzlicher Betriebsrente möglicherweise eine nett gemeinte Option – für einen Leiharbeiter, der für jedes Jahr, das er in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen kann, dankbar ist, ist das schlichtweg der Weg in die Altersarmut..
Wahrscheinlich sehe ich ja einige Kollegen später noch auf dem Golfplatz – nur unter anderen Umständen. Denn während die Ihr Handikap verbessern, durchsuche ich die Mülleimer nach Pfandflaschen..
In diesem Sinne: FROHE WEIHNACHTEN!